Einschraubtiefe / Length of Engagement
Im Maschinenbau erfolgt die Dimensionierung der Einschraubtiefe, also der Länge der im Eingriff befindlichen Gewindegänge, nach dem Grundsatz, dass die Schraube vor dem Abstreifen der Gewindegänge (weder Innengewinde, noch Bolzengewinde) versagen soll. Bei Verwendung von Muttern der entsprechenden Festigkeitsklasse ist dies automatisch gewährleistet. Bei der Berechnung von Schraubverbindungen, deren Innengewinde in einem Bauteil angeordnet ist, sollte jedoch in Abhängigkeit von Schraubengröße und Scherfestigkeit des Innengewindewerkstoffes eine ausreichende Einschraubtiefe vorhanden sein, um ein Abstreifen des Innengewindes auszuschließen.
Die Ermittlung der erforderlichen Mindesteinschraubtiefe als Optimierungs-Analyse mit Hilfe von FEM Berechnungen ist auf Grund des enormen Zeitaufwandes nicht zielführend. Die entsprechenden Richtlinien und Formelwerke (z.B. VDI 2230) bieten die Möglichkeit, die Mindesteinschraubtiefe analytisch zu berechnen.
Die bereitgestellten Tabellen wurden nach VDI-Richtlinie 2230, Blatt 1 erstellt und helfen, abhängig von verwendeter Schraubengröße und Innengewindewerkstoff, bei der sicheren Dimensionierung der Einschraubtiefe.
Bei der Berechnung der Zahlenwerte wurden die beiden Gewindegänge, die nicht mittragen, bereits berücksichtigt und der effektiven Einschraubtiefe hinzuaddiert. Das betrifft den ersten Gewindegang der Schraube und den Gewindegang am Anfang des Innengewindes.
Generell lassen sich natürlich auch kleinere Einschraubtiefen realisieren. Hierbei besteht jedoch die Gefahr eines Abstreifens des Innengewindes. Deshalb ist hier die Kenntnis der auftretenden Belastung und gegebenenfalls eine Begrenzung der Schraubenvorspannung von entscheidender Bedeutung.
Für Eilige: Hier geht es direkt zu den Tabellen mit den Mindesteinschraubtiefen für verschiedene Materialpaarungen.
Obere Grenze der Einschraubtiefe
Bei Materialpaarungen mit besonders großen Unterschieden der Festigkeiten von Schraube und Innengewinde werden sehr hohe Einschraubtiefen ermittelt. Dies verursacht Probleme in der Herstellung und in der Anwendung der Schraubverbindung (Gewindebohren, „Festfressen“ bei der Montage). Kritisch angesehen werden Einschraubtiefen ab einer Länge von 1.5*d [1]. Je länger die Einschraubtiefen werden, desto problematischer sind die Effekte. Fertigungstechnisch wird empfohlen, Gewindebohrungen länger als 3*d zu vermeiden. Diese Bereiche werden in den Tabellen gesondert hervorgehoben. Materialpaarungen, welche in diesen Dimensionen resultieren sollten vermieden werden.
Mythos: “Nur die ersten drei Gewindegänge tragen.”
Gelegentlich trifft man auf die Aussage, dass nur die ersten drei Gewindegänge tragen. Dies resultiert aus der Annahme eines rein elastischen Materialverhaltens. In der Realität plastifizieren die Gewinde im Kerbgrund, so dass bei entsprechend hoher Vorspannung bzw. Belastung alle Gewindegänge anliegen und voll mittragen.
Verwendung der Tabellen
Ausgangsbasis für die Bestimmung der Mindesteinschraubtiefe sind die Festigkeitsklasse und der Gewindenenndurchmesser der Schraube sowie die Scherfestigkeit des Innengewindewerkstoffes.
Im folgenden Schema wird die Verwendung der Tabellen Anhand eines Beispiels dargestellt. Folgende Annahmen werden getroffen: Schraube M8, Festigkeitsklasse 10.9, Innengewindewerkstoff: GJS-400.
Vorgehensweise:
- Bestimmen der Mindestscherfestigkeit nach Tabelle, entweder durch Ablesen in der Zeile für den gewählten Werkstoff oder durch Multiplikation der Mindestzugfestigkeit mit dem Scherfestigkeitsverhältnis der Werkstoffsorte (im Beispiel: Gusseisen mit Kugelgraphit)
- Auswahl der für die Werkstoffsorte geltenden Tabelle für die Einschraubtiefen
- Auswahl der Unterzeile für die Festigkeitsklasse der Schraube in der Zeile für die zuvor ermittelte Mindestscherfestigkeit
Wenn die genaue Scherfestigkeit nicht in der Tabelle angegeben ist, wird empfohlen, die Zeile mit dem nächstkleineren Wert zu verwenden. Dies resultiert in einer geringfügig höheren und somit etwas konservativeren Mindesteinschraubtiefe.
- Ablesen der Mindesteinschraubtiefe im Schnittpunkt der Spalte für den Schraubendurchmesser und der zuvor bestimmten Zeile für die Festigkeitsklasse
Download der Tabellen zur Bestimmung der Mindesteinschraubtiefe
In den Tabellen sind die Mindestwerte der Einschraubtiefen aufgelistet. Diese basieren auf den Mindestwerten der Scherfestigkeiten (bezogen auf hohe Materialdicken) um bei der Dimensionierung auf der sicheren Seite zu liegen.
Es wird dabei davon ausgegangen, dass s/d>1.9 , wobei s dem Ersatzdurchmesser des Materialsbereichs um das Innengewinde und d dem Nenndurchmesser der Schraube entspricht. Das bedeutet, dass ausreichend Material um das Innengewinde vorhanden sein muss.
Die Werte basieren auf der Verwendung der Gewindetoleranzklasse 6H/6g.
Trotz sorgfältiger Prüfung können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Für fehlerhaften Inhalt wird keine Haftung übernommen.
Artikel veröffentlicht am 13.09.2019
Martin Lork
Dipl.-Ing. Maschinenbau
Autor | ✉ mlork@ing-hanke.de
Andreas Hanke
Dipl.-Ing. Maschinenbau
Co-Autor | ✉ ahanke@ing-hanke.de
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